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Fünf Tage in der Nordwand der Grandes Jorasses mit Symon Welfringer

Im Februar dieses Jahres gelang einer Seilschaft aus drei französischen Alpinisten (Symon Welfringer, Charles Dubouloz und Clovis Paulin) die erste Wiederholung und erste freie Begehung der Walker-Direttissima in der Nordwand der Grandes Jorasses (Mont-Blanc-Massiv). Symon erzählt uns hier von diesem unglaublichen Abenteuer auf sportlicher und menschlicher Ebene.

18 April 2023

Klettern

 

  • Name: Symon Welfringer
  • Hauptberufliche Tätigkeit: Allround-Kletterer
  • Nebenberufliche Tätigkeit: Meteorologe, Kreuzworträtsel
  • Lieblingsklettergebiet: Wenn ich mich nach Ruhe und Frieden sehne, ist Céüse mein Lieblingsspot, dieser eindrucksvolle Felsriegel in Südfrankreich. Céüse ist für mich der Ort, der meinen Lebensstil am besten repräsentiert: ein langgestreckter Fels von einzigartiger Schönheit, der hoch oben am Himmel thront. Projekte suche ich mir am liebsten dort. Die Atmosphäre dort oben begeistert mich jeden Tag, den ich dort verbringe, mehr. Ein anderer Ort, den ich sehr schätze, ist Pakistan. Ich bin mehrmals dorthin gereist, zuerst 2017, um eine Begehung des Pumar Chhish zu versuchen, später folgten andere Projekte. Ich liebe die Kultur des Landes und die Menschen, die ich bei meinen Expeditionen getroffen habe, sind Freunde geblieben, sodass ich hoffe, bald wieder dorthin reisen zu können, vielleicht im nächsten Sommer.
  • Ein Rat: Es gibt kein schlechtes Wetter, keine schlechten Bedingungen oder schlechten Fels, das einzige Problem ist, dass es uns oft an Vorstellungskraft mangelt. Ein Wetterwechsel reicht aus, um die Welt völlig anders aussehen zu lassen. Jeder von uns kann seine eigene Herausforderung, sein eigenes Projekt finden, trotz der vielen Veränderungen auf der Welt und des Klimawandels. Unsere Motivation wird dadurch nicht beeinträchtigt, wir müssen nur umdenken.

 

 

Erste Wiederholung der Walker Direttissima und erste freie Begehung. 13. Februar 10 Uhr, Nordwand der Grandes Jorasses, morgen ist Valentinstag und ich habe Angst, nicht rechtzeitig zurück zu sein!!!

Wir sind seit fünf Tagen in dieser Wand unterwegs und haben dabei Höhen und Tiefen durchlebt. Jetzt scheint der Gipfel in greifbarer Nähe zu sein und unsere Hoffnung, ihn zu erreichen, ist groß, aber es gab auch knifflige Momente – insbesondere, den richtigen Weg durch die Wand zu finden. Da diese Route seit der Erstbegehung nie wiederholt wurde, gab es nirgendwo Haken oder andere Spuren, die Rückschlüsse darauf zuließen, ob wir uns auf der richtigen Route befanden. Die Topos waren äußerst knapp gehalten und nicht gut beschrieben, sodass es zwar eine Wiederholung war, sich aber wie eine Erstbegehung angefühlt hat. Es war das erste Mal, dass mich in einer Route in den Alpen ein solches Gefühl überkam.

 

 

Was mir aus diesen Tagen am stärksten in Erinnerung geblieben ist war der Moment, als wir an einen 200 m langen, überhängenden Abschnitt etwa in der Mitte der Wand kamen. Der Fels über uns war von feinen Rissen durchzogen, die immer wieder endeten, sodass wir nicht sehen konnten, wo es weiterging. Ich stieg vor und es gelang mir, unglaubliche Sequenzen bis 7a an Klemmkeilen zu klettern, an einer 15 Grad überhängenden Wand. Irgendwann war ich jedoch völlig verzweifelt, weil es nicht mehr weiterging. Schließlich gelang es mir aber, durch horizontales Queren einen Weg nach oben in leichteres Gelände zu finden. Das war der dritte Tag.

An diesem Tag habe ich viele Gefühlslagen durchlebt und ich glaube, dass die Angst, die ich an diesem Tag empfunden habe, mir zu Konzentration und Stärke verholfen hat. Wenn ich Angst habe, schaltet mein Kopf in einen Modus absoluter Konzentration und dadurch kann ich mein gesamtes Potenzial ausschöpfen. Andererseits kann Angst mich auch dazu bringen, umzukehren, wenn ich das Bedürfnis danach verspüre und ich das Gefühl habe, dass es die richtige Entscheidung ist. Ich würde sagen, dass Angst für mich die meiste Zeit eine Stärke ist. Mit Angst kann ich ganz ich selbst sein.

 

 

Die letzten beiden Tage waren leichter. Allerdings war die Kälte schwer zu ertragen – wenn die Route durch eine Südwand gehen würde, wäre es etwas anderes. Im Winter verirrt sich kein einziger Sonnenstrahl in die Nordwand der Jorasses. Fünf Tage lang hatte ich das Gefühl, dass es auf der Erde keine Sonne mehr gäbe, ein seltsames Gefühl!!!

Für mich hat diese Route alles, was am Bergsteigen cool ist. Von kniffligem Gelände beim Mixed-Klettern bis hin zu großartigen Freikletter- und Trad-Passagen. 90% der Zeit ist der Fels wirklich kompakt und schön, man kann die Route absichern und die Kletterei ist nicht zu exponiert. Eine Besonderheit ist sicherlich, dass die Route über ihre gesamten 1200 Meter wirklich steil ist. Bis zum Gipfel waren es in den fünf Tagen glaube ich über 30 Seillängen. Es ist eine richtige Bigwall, eine der höchsten Nordwände der Alpen. Kurz gesagt, Kletterglück pur und das an der Seite von zwei guten Freunden. Eine perfekte Kombination, würde ich sagen.

 

 

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