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Reisen, Klettern, Leidenschaft: Ein Reisebericht von Philippe Ribière

Der Petzl Roc Trip rollte im September und Oktober über die Straßen Osteuropas, um die dortige enorme Felsvielfalt zu erkunden. Erfahre anhand der Berichte von Klemen Bečan, Philippe Ribière und Mümin Karabaş wie die Athleten des Petzl Teams durch ihre Passion eine unvergessliche Reise erlebt haben.

6 Februar 2015

Bouldern

Der Kletter-Nomade Philippe Ribière auf dem Balkan

Philippe Ribière © Guillaume Vallot

Philippe, das Klettern ermöglicht Dir viel auf Reisen zu sein?

Ich wollte schon immer einen Van haben, um auf der Straße unterwegs zu sein. Zwei Jahre nachdem ich mit dem Klettern angefangen habe, begann ich auch mit dem Reisen. Mittlerweile sind es schon 17 oder 18 Jahre, die ich quer durch die ganze Welt unterwegs war. Meine Reiselust ist seit 2008 enorm angestiegen, als ich auf Mallorca mit dem Deep Water Soloing begonnen habe. Mit dabei war mein guter Freund Laurent Trillet, der Routenbauer bei den Natural Games ist. Er beeinflusste meine Vision vom und meinen Zugang zum Reisen stark. 2009 reiste ich dann durch Europa, diese Tour nannte ich „2009 Evolution Tour“: ein Trip durch jedes Land in Osteuropa, mit einem besonderen Augenmerk auf den Möglichkeiten, die Personen mit Handicap zum Klettern haben. Dank Petzl hatte ich einen tollen Bus zur Verfügung. Dieser Trip markierte den Beginn meines Nomadenlebens: Ich gab die Schlüssel für mein Appartement ab. Von da an hatte ich keinen festen Wohnsitz mehr.

Eines meiner Lieblingsziele ist immer noch Slowenien. Dort lebt auch auch der Regisseur meines Films „Wild One“. Im Jahr 2011 entdeckte ich schließlich Prilep und in weniger als zehn Sekunden wusste ich, dass ich Petzl davon überzeugen musste einen Roc Trip dorthin zu planen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, was Erwan im Kopf hatte. Die Atmosphäre auf dem Balkan reißt mich jedes Mal wieder aufs Neue mit, sie erinnert mich immer an Filme von Emir Kusturica. Es gibt eine große Kluft zwischen dem was wir in Frankreich über osteuropäische Länder zu wissen meinen und dem, wie es wirklich ist. Die Zeit löscht die Vergangenheit nicht einfach so aus, sie markiert die Wände immer noch wie Narben…

Prilep war die Station, die die Sonne zum Petzl Roc Trip zurück brachte, nachdem starke Regenfälle und heftige Unwetter uns am Anfang die Reise erschwert hatten. Das Gebiet ist riesig und die Blöcke sind aus fantastischem Granit. Wie könnte kann man Prilep nicht mögen?

Wie findest Du neue Klettergebiete?

Nehmen wir Prilep als Beispiel: Rok Sisernik, ein slowenischer Kletterer hat das Gebiet entdeckt und nicht ich. Man erfährt also durch Hörensagen von neuen Spots. Rok hatte eine Bekannte in der Nähe von Prilep, die ihm sagte er solle vorbeikommen, „es gäbe ein wenig Potenzial hier.“ 2009 sprangen er und ein paar Freunde dann in ihren Bus und fuhren nach Prilep, um das Gebiet zu erkunden. Im selben Sommer starb Rok Sisernik bei einem Highline Unfall. Wir haben uns leider nur ein Mal getroffen, aber einige Freunde und ich beschlossen, dass wir zu Ende führen wollten, was Rok begonnen hatte. Von da an fuhren wir öfter nach Prilep um die Felsen zu putzen und neue Boulder zu entdecken.

Auch sonst bekomme ich Informationen über neue Kletterspots, indem ich viele Menschen treffe und mich mit ihnen unterhalte. Anschließend betreibe ich ein paar Nachforschungen im Internet und los geht’s!

Philippe Ribière © PETZL/Lafouche

Philippe Ribière © Sam Bié

 

Das Reisen ist der natürliche nächste Schritt zu meiner Kletterkarriere gewesen. Im Klettern hatte ich meine Ziele bereits durch Wettkämpfe erreicht. Ich habe zwölf Jahre lang dafür gearbeitet, eine extra Paraclimbing Kategorie bei der Kletterweltmeisterschaft zu etablieren. Deshalb bin ich auch sehr stolz darauf, der erste Franzose mit Handicap zu sein, der eine Medaille für das französische Team bei den Weltmeisterschaften 2011 gewinnen konnte. Am Fels konnte ich einen Erfolg feiern, als ich meinen ersten 7a Boulder klettern konnte. Nun möchte ich neue Bouldergebiete kennen lernen und eröffnen sowie Erstbegehungen machen, bevor ich mich vorsichtig meinem nächsten Ziel widme: ein Trainer zu werden. Das Reisen ermöglicht mir all dies.

Welche neuen Gebiete möchtest Du als nächstes besuchen?

Ich würde gerne Kolumbien, Brasilien aber auch Grönland und Island kennen lernen. Erst mal liegt der Focus aber auf Kolumbien. Manchmal lasse ich mich auch von meinen Fans inspirieren, die mich zu sich einladen, um mit ihnen in ihrem Heimatgebiet zu klettern. Leider habe ich zu wenig Zeit, um alle Einladungen annehmen zu können, aber manchmal ergeben sich daraus fantastische Abenteuer. Auf diese Weise habe ich z.B. ein schönes Klettergebiet in Rumänien entdeckt.

Wie reist Du eigentlich am liebsten?
Normalerweise reise ich alleine in meinem Van. Ich brauche meine Freiheit, um unabhängig zu sein. Wenn man alleine reist, ist man auch viel offener dafür, neue Leute kennen zu lernen. Wenn man zu zweit oder in einer Gruppe reist, ist das Bedürfnis neue Leute kennen zu lernen nicht so groß. Beim Petzl Roc Trip gefällt mir besonders, dass man leicht mit Kletterern in Kontakt kommt, unabhängig vom jeweiligen Niveau (ich halte mich selber nicht für einen Extremkletterer). Man klettert zusammen, man unterhält sich und erlebt gemeinsam eine tolle Reise.

Wie organisierst Du es beim Reisen immer das richtige Klettermaterial dabei zu haben?
Wenn ich mit meinem Van unterwegs bin, habe ich alles dabei was ich brauche, aber wenn ich auf das Flugzeug angewiesen bin, nehme ich nur das nötigste mit. In diesem Fall wende ich mich an Locals oder treffe mich mit Freunden und am Ende hat man genug Material.

Was suchst Du auf Reisen?

Ich bin nicht wirklich auf der Suche nach meinen Wurzeln. Das Reisen ist für mich ja normal, weil ich es das ganze Jahr mache.  Ich mag dieses Wort „Wurzeln“ eh nicht, da es mittlerweile viel zu häufig verwendet wird. Bei mir ist es so, dass mich das Reisen wieder daran erinnert, dass ich nur ein kleiner Teil dieser großen Welt bin. Einfache Dinge wie Holz zu sammeln oder nach Wasser zu suchen, rückt alles in ein anderes Licht. Die Natur erinnert uns zu jeder Jahreszeit, jedes Jahr aufs Neue, daran wie klein wir wirklich sind. Das Reisen ermöglicht es mir außerdem darüber zu sprechen, dass man seine Umwelt respektieren soll. Das hat sich mittlerweile zu einem zentralen Thema entwickelt. Der beste Weg seinen Respekt der Umwelt gegenüber zeigen zu können, ist, dass man stets in der Lage ist, sich an seine Umgebung anzupassen.

Philippe Ribière © PETZL/Lafouche

Wenn Du unterwegs bist, hältst Du auch oft Vorträge.

Ja, Vorträge sind eine Möglichkeit während des Reisens gehört zu werden. Während meiner „Evolution Tour“ hielt ich Vorträge in französischen Botschaften, um mehr auf Leute mit Handicap aufmerksam zu machen. Mein Film „Wild One“ wurde während dieser Zeit veröffentlicht. Ironischerweise rede ich im Film kaum über das Klettern, vielmehr erzähle ich etwas über mich, woher ich komme und welchen positiven Einfluss das Klettern auf mein Leben hat. Mein Handicap ist dafür verantwortlich, dass ich lediglich 80% meiner physischen Stärke zur Verfügung habe. Ich habe jedoch gelernt, das in einen Vorteil umzuwandeln, indem ich bei null angefangen habe und am Ende der geworden bin, der ich heute bin. Ich habe meinen Platz gefunden, indem ich mich an einige wichtige Werte halte: Respekt anderen Gegenüber, Menschenwürde, Vertrauen und Kommunikation. Für mich ist das meine Basis.

Meine leiblichen Eltern haben mich nach der Geburt zur Adoption freigegeben und die ersten vier Jahre meines Lebens verbrachte ich im Waisenhaus oder im Krankenhaus. Im Alter von vier Jahren wurde ich dann von meiner jetzigen Familie in Frankreich adoptiert. Seit ich denken kann, bin ich immer davon ausgegangen, dass mich ein Storch auf diese Welt gebracht hat.

Das Klettern ist meine Lebensader. Mein Nomadenstil meine Würde, meine Zuversicht, mein Respekt. Oft kommen Menschen nach einem Vortrag zu mir und sagen: „Wow, dein Leben ist super“. Dann erwidere ich, dass das daran liegt, dass ich mich entschlossen habe, mein Leben genau so zu leben und meine Träume zu verwirklichen. Diese Entscheidung und mein Nomadenleben ermöglichen es mir, das Leben objektiver zu betrachten.

Was für einen Ratschlag hast du für Kletterer?
Ich bin nicht wirklich gut darin, Ratschläge zu erteilen, aber hier ist ein Gedanke: „Freiheit ist ein Geschenk, das nichts kostet."

Philippe Ribière © PETZL/Lafouche

Im Artikel erklärt

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