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Ausbouldern einer Route: Tipps & Tricks

Im Sommer letzten Jahres ist Hugo erstmals im neunten Grad geklettert. Im Januar dieses Jahres konnte er im Klettergebiet Saint Léger mit der Eagle 4 seine erste 9b Route punkten. Bis zum erfolgreichen Durchstieg musste er mehrere Wochen an dieser Route arbeiten. Ausbouldern einer Route: Tipps & Tricks

27 April 2020

Klettern

Harte Arbeit lohnt sich

“After Work” heißt, dass der Kletterer die Route kennt. Er hat sich die Zeit genommen, die Bewegungsfolgen, die Schwierigkeiten und die Ruhepunkte herauszufinden. Beim Erarbeiten der Route kann er stürzen, sich in seinem Gurt ausruhen und einen Zug noch einmal versuchen. Das Ziel ist, jedes Detail zu optimieren und sich einzuprägen, um alle Züge bis zum Standplatz klettern zu können. 

Das “After Work” Klettern mag manchen Kletterern abstrakt erscheinen. Für andere wiederum ist dies das wahre Klettern. Vielleicht gibt es keine objektive Definition dafür. Ein gewisser Alex Lowe sagte: "Der beste Kletterer der Welt ist der, welcher am meisten Spaß hat." 

Wie dem auch sei, das “After Work” Klettern ist eine Sportart für sich, die eine optimale Beherrschung aller Parameter voraussetzt. Neben dem Streben nach körperlicher Höchstleistung ist es auch eine anstrengende mentale Übung mit wiederholten Rückschlägen bis zum „GELOBTEN“ Tag des Durchstiegs. 

Visualisieren, Sichern, Trainieren... Hugo verrät uns seine Tricks für die erfolgreiche Realisierung eines Projekts am Fels.

 

Hugo Parmentier in "Eagle 4” (9b) in Saint Léger.

 

Der Abenteurer

Die Route ist dir ins Auge gestochen, du spürst sie bereits in den Fingern: Der Traum beginnt. Der erste Schritt besteht darin, die Route zu entschlüsseln. Das Ziel ist, die für dich einfachste Bewegungsfolge zu finden. Das ist eine persönliche Sache. Man sollte sich genügend Zeit nehmen, um nichts zu übersehen. Denke immer daran, dass alle Tricks, Methoden und anderen Kniffe, welche die Bewegungen erleichtern, dir für die Durchstiegsversuche helfen Kraft zu sparen (ein kleiner Foothook mehr, ein Knieklemmer, ein Handwechsel, ein Heelhook, ein Ägypter, ein Einsatz des Daumens). Das Entschlüsseln kann sich über mehrere Bewegungsfolgen erstrecken.

Die ersten Aufstiege sind anstrengend, da man sich zwischen den einzelnen Zügen oftmals nur wenig Zeit zum Ausruhen gönnt, aus Angst, dass der Sichernde durch den Baum am Einstieg der Route ersetzt wird. Denk daran abzusteigen, um dich auszuruhen (und zu sichern).

Das kann deprimierend sein: Du hast noch nicht alle Züge ausgecheckt, du kämpfst dich durch einfache Abschnitte und die Kette des Standplatzes erweckt in dir nur eine vage Erinnerung.

Gib nicht auf, bleib positiv, erkenne Verbesserungen für den nächsten Versuch, denn die Dinge können sich schnell ändern. 

Tipps: 

  • Die Methoden können sich mit der Zeit ändern, und es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren.
  • Sprich auch mit anderen Kletterern um dich herum. Sie haben vielleicht ein paar gute Tipps für dich.
  • Alles zu geben, um das Ende der Route gleich beim ersten Aufstieg zu erreichen, ist nicht unbedingt empfehlenswert. Du könntest zu erschöpft sein für den Rest der Klettersession. 

 

Der Schamane

Diese ersten Aufstiege dienen dazu, die Schlüsselzüge zu verstehen, die Positionen und die Bewegungen deines Körpers zu fühlen und sie dir einzuprägen. Der Kopf muss die Bewegungen verstehen und der Körper muss sie lernen. Wenn du zwischen zwei Versuchen in deinem Gurt hängst, solltest du dir die Methoden der Hand- und der Beinarbeit in Erinnerung rufen. 

Die Bilder der Route kehren ständig wieder in den Kopf und das Bedürfnis es erneut zu versuchen auch. Du hast angebissen.  Am Einstieg der Route, am Abend unter der Dusche oder im Bett hilft dir die Visualisierung, weniger Fehler zu machen und effizienter zu sein. Es ist ein ständiges Training.

Bei dieser Übung versuche ich, das gleiche Bild vor Augen zu haben wie beim Klettern.

Die „Goldfisch" Tipps:

  • Wenn es mit der Visualisierung nicht so richtig klappt, kannst du die Route auch auf Papier zeichnen. 
  • Wenn dir gewisse Züge nicht einfallen, kannst du gegebenenfalls eine Markierung mit Chalk machen. Um nicht mit der Schultafel in der dritten Klasse verwechselt zu werden, entferne das Chalk, sobald du mit der Route fertig ist.
  • Wiederhole die Abschnitte, die du noch nicht beherrscht, mehrere Male. Das hilft dir dabei, dich an die Methoden zu erinnern.

 

Die Methoden können sich mit der Zeit ändern, und es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren.

 

Das Wiesel

Es sind all diese kleinen Details, die später beim Durchstieg der Route den Unterschied machen.

  • Die Expressen verlängern, um den Zug zu reduzieren oder das Clippen zu erleichtern.
  • Die Qualität deines Sicherers und dein Vertrauen in ihn. Sichert er flüssig, kennt er die Linie?
  • Sich die Anstrengung und die Rhythmusänderungen vorstellen: an den strategischen Stellen vor der Crux Ruhepausen einlegen, in schwierigen Abschnitten das Tempo erhöhen.  
  • Die Griffe bürsten. All diese Dinge machen den Unterschied.

Tipp: Es scheint, dass sich Chalk mit Greenspits Bürsten besser entfernen lässt. Es scheint....

 

Das Herz...

Klettern „a muerte“ (wie es die Spanier zu pflegen sagen) 

Wenn du deine Methode gefunden hast, ist es Zeit alles zu geben! Hab Spaß beim Klettern und versuche, so weit wie möglich zu gehen, ohne an die vorangegangenen Versuche zu denken. Versuche nach einem Sturz weiter zu klettern und bis zum Ende der letzten Schwierigkeiten alles zu geben. Wenn du dich daran hältst, wirst du Fortschritte machen und den Durchstieg vor Augen haben.

Es liegt an dir, deine Kraft während des Tages richtig einzuteilen. Deine Haut zu schonen, mit der Müdigkeit in den Muskeln oder im Kopf fertig zu werden! Mentale Stärke ist wichtig, um motiviert zu bleiben. Manchmal ist es besser, seine Kräfte für den nächsten Tag zu sparen.

Tipp: 

Um die Haut zu schonen, empfiehlt es sich, in der kühleren Tageszeit zu klettern (die Mittagssonne gegen 14 Uhr solltest du vermeiden). 

 

...des Kämpfers

„Ein Versuch mehr ist nie ein Versuch zu viel“ Hervé Solignac 

Mir gefällt diese Einstellung und ich finde sie sehr effektiv. Aus zwei Gründen:

  • Der erste ist, dass ich die Route mit jedem Versuch stärker verinnerliche.
  • Der zweite Grund ist, dass, wenn du müde bist und kletterst, dies deine Empfindungen in der Route verbessert, wenn du ausgeruht bist.

Aber natürlich musst du unterscheiden können zwischen Erschöpfung und Unlust: sich erneut aufwärmen, erneut die schmerzende Haut ertragen müssen usw.
 

„Beherrschung ist nichts, allein der Einsatz zählt“, so der berühmte Hervé Solignac

 

Denk an Chris Sharma und seine Glanzleistungen. Er denkt nicht, er macht.

 

Zum Thema Sicherheit

Erster Schritt: Kontrolliere deine Ausrüstung und die deines Kletterpartners.

Auch der Partner Check und der Knoten am Seilende sind beim Klettern unverzichtbar. Wenn du irgendwelche Zweifel hinsichtlich der vorhandenen Ausrüstung hast - Zustand der Schlingen, scharfkantige Karabiner, beschädigte Verschlüsse - dann ersetze sie durch deine eigenen. Eine Schlinge weniger beim Klettern zu haben, ist nicht so tragisch wie ein beschädigtes Seil, ein Bodensturz oder Schlimmeres. 

Tipp: Bei den Spirit Expressen ist das Alter der Schlinge auf dem Etikett angegeben.

 

Einige Fragen an Hugo: 

Du hast deine erste 9a vor weniger als einem Jahr geklettert und deine erste 9b im Januar, hast du etwa einen Löwen verspeist im vergangenen Herbst?

Einen großen Salat und ein paar Eier! Es ist wichtig, Löwen und andere Wildtiere zu schützen.

Kennst du Ray Verso? https://cutt.ly/pyiFyNd

Ich versuche verzweifelt ihn zu treffen, um ihn mit Jean-mi bekannt zu machen. 

Dein schlechtester Sicherer?   

Jean-mi „Hat die Augen woanders“ und außerdem hört er auch nicht viel. Es ist der Horror, wenn du Seil ziehen willst. Er wiegt nicht viel, aber er sichert sehr dynamisch.

Dein bester Sicherer? Wer ist es? warum?

Pierre „Wir haben nichts gesehen“, er hängt sich ins Seil, wenn ich die Expressen geclippt habe! Das ist eine gute Hilfe. Außerdem hat er immer die richtige Antwort parat. 

Es geht das Gerücht um, dass du künftig nicht mehr an den 8. Grad rührst.

Fake News! Ich glaube nicht, dass sich da etwas ändert, schluchz.

Gab es Momente, wo dir Zweifel kamen in diesem Projekt? 

Ja, ich hatte nach einer harten Trainingszeit eine Erholungspause von 15 Tagen eingelegt. Als ich in die Route zurückkehrte, hatte ich nur sehr wenig Fortschritte gemacht. Das war schrecklich deprimierend. Noch schlimmer wäre es wahrscheinlich gewesen, bei diesem Aufenthalt Rückschritte zu machen.

Was hat dich erneut motiviert?

Loszulassen und andere Routen zu klettern, wenn es wirklich nicht weiterging und ich keine Freude mehr empfand. Etwas anderes klettern, andere interessante Routen, andere tolle Züge.

Hast du Projekte für die Zukunft?

Viele. Aber nichts Definitives bisher: “Die Besessenheit kommt erst, wenn ich den ersten Versuch gemacht habe”. 

In diesem Jahr ist alles etwas kompliziert, aber eines meiner großen Projekte ist Jungle Boogie in Céüse. Aber auch die Voie Petit am Grand Capucin oder eine schwierige Mehrseillängenroute im Klettergebiet La Ramirole. To be continued...

 

Text: Hugo Parmentier

Photos: Aurèle Bremond

Redaktion / Layout: Antonin Cecchini

 


 

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