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Petzl Topo Südostverschneidung

// Südostverschneidung, Fleischbank Ostwand, Wilder Kaiser // Ein Superklassiker im Wilden Kaiser, 1944 erstbegangen und aufgenommen in den legendären Pause-Kletterführer "Im extremen Fels". Die Route besticht durch ihre logische Linienführung, insgesamt tolle Felsqualität und ist mittlerweile saniert. Für eure Begehung könnt ihr euch das von Julius Kerscher gezeichnete Topo am Ende des Artikels herunterladen.

10 August 2023

Mehrseillängenrouten

"Südostverschneidung" - Schöner Alpinklassiker mit Borhakenhistorie

 

Die Fleischbank Südostverschneidung gehört zu den schönsten klassischen Routen im Wilden Kaiser. Eine ästhetische Linie mit meist bester Felsqualität, die sich in wunderschöne und anspruchsvolle Kletterzüge übersetzen lässt. Gelegen im Herzstück des Wilden Kaisers, der Steinernen Rinne, die immer wieder Schauplatz für Meilensteine der Alpingeschichte war: Von der Fleischbank-Ostwand (Dülfer-Schaarschmidt, 1912) zu den Pumprissen (Kiene-Karl, 1977) und „Des Kaisers neue Kleider“ (Glowacz-Müller, 1993 bzw. 1994) – die Liste der Hände, die hier Spuren hinterließen ist lang, Namen wie Rebitsch, Darshano, Hoffmann, jüngst Hemetzberger – das aufgeschlagene Buch des Kletterns.

Auch die Südostverschneidung hat historischen Nimbus, schließlich wurde hier der erste Sticht-Bohrhaken im Wilden Kaiser gesetzt.

 

Mittlerweile wurde die Route von Herbert Haselsberger und Hubert Nuss im Juni 2006  mit 38 Klebehaken (13 Standhaken und 25 Zwischenhaken) saniert. Finanziert wurde die Sanierung damals vom Alpenverein, der auch in die Besprechungen des Arbeitskreises “Wilder Kaiser” involviert war. In diesem Arbeitskreis, der aus Kletterern, Bergführern, Erschließern und eben dem Alpenverein bestand, wurden Sanierungskonzepte erarbeitet, die einen Kompromiss der verschiedenen Interessen verfolgten. Ziel war es, die Routen sicherer zu machen und trotzdem den Charakter der Route nicht zu sehr zu verändern. Dazu wurde, sofern möglich, auch immer Rücksprache mit den Erstbegehern gehalten.

 

Durch diesen Arbeitskreis kam der sogenannte “Hakenkrieg” im Kaiser in ein ruhigeres Fahrwasser: Nach einer Übersanierung der Rittlerkante am Bauernpredigtstuhl hatten andere Kletterer die ihrer Meinung nach überflüssigen Haken wieder entfernt, ähnliches spielte sich bei dem Lucke-Strobl-Riss ab. Diese Spuren der Geschichte sind auch heute noch zu sehen.

 

Die Südostverschneidung ist trotz der Sanierung anspruchsvoll alpin geblieben und fordert sowohl sicheres Kletterkönnen als auch alpine Erfahrung. Sie gehört außerdem zu den legendären “Pausetouren”, dem Kultbuch jedes Alpinkletterers der 70er und 80er.

 

 

Bei unserer Begehung am 27. Juni 2023 starteten Julius und ich nicht mit dem Gefühl, überhaupt ein paar Meter zu klettern - beim Loslaufen vom Parkplatz der Wochenbrunner Alm regnete es in Strömen. In unseren Köpfen formten sich bereits erste Alternativpläne: Wandertag, bekletterbare Wände anschauen, die schottische Stimmung in uns aufnehmen, das Draußensein genießen…

 

Als erstes Ziel steuerten wir also die Gaudeamushütte an, schließlich sollte es in zwei Stunden aufhören zu regnen, und ein warmer Kaffee in einer gemütlichen Hütte schien uns nicht die schlechteste Idee. Gesagt, getan.

 

In der Hütte schmökerten wir im mitgebrachten Kletterführer, blätterten die Bildbände der Hüttenbibliothek durch, schauten aus dem Fenster und philosophierten über das Klettern. Nicht der übliche Start in einen Alpinklettertag…

 

Tatsächlich stoppte dann aber um Punkt neun Uhr der Regen - Zeit, den Rucksack wieder zu schultern. Allerdings glaubten wir beide nicht mehr daran, heute noch Klettermeter zu machen. Durch dicke Nebelschwaden stiegen wir zum Ellmauer Tor auf, ab und zu ließen sich die wilden Zacken des Kopftörlgrates sehen. Normalerweise tummeln sich auf diesem Weg um diese Zeit zahlreiche Wanderer, an diesem Tag haben wir die Berge jedoch für uns allein. 

Beim ersten Blick in die Wand trauten wir kaum unseren Augen: alles trocken! Bei kaltem Wind, grauem Himmel und schneidendem Wind starteten wir in die erste Seillänge. Die Finger waren erst noch etwas klamm auf dem kalten Fels, der Wind ließ uns bibbern und der graue Himmel sorgte für eindrückliche Stimmung. Ab der zweiten Seillänge wurden wir aber flüssiger in unseren Bewegungen, die Finger wurden langsam warm und wir konnten unser Glück kaum glauben - wir kletterten! 

 

 

Immer wieder waren wir erstaunt darüber, wie durchgehend anspruchsvoll die Kletterei ist, welche Eleganz die Linie aufweist und was für eine Leistung die Erstbegeher 1944 hier vollbracht hatten. In der letzten schweren Seillänge gab es dann den legendären ersten Bohrhaken zu bestaunen und wir konnten wieder mal nicht glauben, wie schwer eine “7” im Kaiser sein kann, vor allem wenn man kein routinierter Risskletterer ist!

 

 

Am Gipfel durften wir dann sogar den Blick auf Totenkirchl-Ostwand und Predigtstuhl-Westwand in der Sonne genießen, während wir unser Käsebrot verspeisten.

Der unschwierige Abstieg verlief schnell und bei gutem Wetter ließen wir den Klettertag auf der Terasse der Gaudeamushütte ausklingen.

 

 

Schwierigkeit:

7+ oder klassisch 6 A1 (für eine technische Begehung könnte je nach Behakungszustand Hammer und Haken notwendig sein)

 

Erstbegeher:

Peter Moser und Wast Weiß am 1. und 2. Juli 1944

 

Ausrüstung:

An den Ständen findet sich bis auf eine Ausnahme immer zwei Bohrhaken, gebohrte Zwischenhaken an schweren Stellen, Schlaghaken

Unsere Empfehlung: 60m Halbseile, 15 Expressschlingen, Camalots bis Größe 3, Keile

 

Ausgangspunkt:

Parkplatz Wochenbrunner Alm (Aufstieg über die Gaudeamushütte und Ellmauer Tor) oder Griesner Alm (Aufstieg durch die Steinerne Rinne)

 

Abstieg:

Durch Rinne Richtung Westen abklettern oder abseilen (sehr gut mit roten Punkten markiert). Weiter Richtung Süden an der Christaturmscharte vorbeilaufen, den roten Markierungenerst wieder aufsteigend nach Westen und dann südlich zur Abseilpiste folgen. 3-4 Mal 30 Meter zurück in die Steinerne Rinne abseilen (Führerliteratur beachten).

 

Topo

Download Topo

 

 

Mehr Infos in der unten gelisteten Führerliteratur:

 

Markus Stadler

Bergsteigen.com

 

Fotos: © Felix-Immanuel Achtner / Julius Kerscher

Text: Felix-Immanuel Achtner

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