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Petzl Topo Spitzenstätter-Baldauf

// Scharnitzspitze, Wetterstein // Ein gutmütig sanierter Klassiker in griffigem Wettersteinkalk bester Felsqualität, der sich ideal für den Einstieg ins Klassiker sammeln eignet. Zusätzlich führen wir ein Gespräch mit Manfred Sturm, Alpinkletterlegende, der uns Infos zur Pause-Touren-Auswahl aus erster Hand liefert. Am Ende des Artikels gibt es diesmal für euch sogar zwei verschiedene Versionen des Topos zum Download, gezeichnet wie gewohnt von Julius Kerscher.

20 September 2023

Mehrseillängenrouten

 

Wie schön kann klettern eigentlich sein? Farbenfrohe und abwechslungsreiche Felsformen, Risse, eine riesige Hangelschuppe, Wandkletterei und eine goldbraune Verschneidung, dazu eine freundliche Absicherung mit Bohrhaken. Bei unserer Begehung der Spitzenstätter-Baldauf an der Scharnitzspitze kamen Julius und ich gar nicht aus dem Schwelgen und Schwärmen heraus!

 

 

Darf “extremes” Klettern so entspannt und genussreich sein? Extrem deswegen, weil die Route zu den 100 “Pause-Touren” gehört, einer Auswahl von 100 extremen Routenempfehlungen in den Alpen, dem Buch “Im extremen Fels”.

Dieser Kanon von 100 Kletterrouten von Walter Pause (daher der Name "Pause-Tour") und Jürgen Winkler erschien 1970 in seiner ersten Auflage und entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Kultbuch der Alpinkletterer und ist es bis heute geblieben. Mittlerweile werden die ersten  Ausgaben für viel Geld als Raritäten im Internet gehandelt. Dieses Jahr (2023) wurde vom Panico-Verlag eine Neuauflage veröffentlicht: “Im extremen Fels”.

 

 

Zurück zu unserer Ausgangsfrage - Wie kann es sein, dass Touren wie die Spitzenstätter-Baldauf, die wir als sehr genussvoll wahrnahmen, genauso wie beispielsweise der Walkerpfeiler mit seinen 1200 Metern als “extrem” gelten? Viel erklärt sich, wenn man in die ersten Editionen schaut und sich die Zeiten und Bedingungen vor Augen führt oder zu Ohren kommen lässt. Wir hatten die schöne Chance, beim Klettern im DAV Kletterzentrum Thalkirchen Mani Sturm dazu zu befragen. Mit 87 Jahren klettert er dort immer noch wöchentlich und nahm sich für uns im August 2023 gerne die Zeit, als Beteiligter der Auswahl ein paar Hintergründe zur Einordnung zu beleuchten.

 



 

Zuerst einmal gab es damals eine grundsätzlich andere Ausgangssituation der Informationslage: Mani und seine Tourenpartner hatten ein Jahr nach der Erstbegehung kein detailliertes Topo wie wir heute. Nur mit einer groben Skizze und verbaler Beschreibung war ein gutes Gespür für die richtige Wegfindung essentiell. 

 

Hinzu kommt der ursprüngliche Zustand der Route: Wo heute verlässliche Bohrhaken für Entspannung sorgen, gab es damals nur die spärlich gesäten Normalhaken der Erstbegeher. Damals wurde mit einem gänzlich anderen Empfinden für Sicherheit geklettert: Ein geschlagener Haken war ein Stand, ein Sturz wurde grundsätzlich ausgeschlossen, man musste sich also seines Kletterkönnens dementsprechend sicher sein.

 

Neben der schlechteren Absicherung der Route war natürlich auch der Fels in einem anderen Zustand: weniger abgeklettert und ausgeräumt - man musste also öfter mit losem Gestein und ausbrechenden Griffen rechnen.

 

Zu guter Letzt wurde damals mit völlig anderer Ausrüstung geklettert: Reibungskletterschuhe wie heute gab es noch nicht, stattdessen trug man schwere Bergstiefel, statt Ultralight-Express-Sets gab es schwere Stahlkarabiner, Gore Tex und Funktionskleidung waren Fremdwörter…

 

Wenn man sich also diese Faktoren vor Augen hält, versteht man bei der einen oder anderen Pause-Tour besser, warum sie Teil dieses Kanons geworden ist.

 

 

Was macht eine Route also extrem? Für Manfred Sturm ist es das Abenteuer, nicht die Schwierigkeit - verbunden mit gewisser sportlicher Herausforderung, Begeisterung für die Ästhetik der Linie und die Form und Struktur der Wand. 

 

Die Palette der Pause-Touren ist also sehr bunt und spiegelt vielleicht in gewisser Form die Vielfalt des Kletterns in den Alpen wieder. Eine Route wie beispielsweise die Grundschartner Nordkante besticht durch ihre fantastische Linie und bietet einen ausgedehnten Tag durch Zu- und Abstieg, die “Hasse-Brandler” an der großen Zinne ist ein Denkmal der Direttissima- und später Freikletter-Ära, die Stockhorn-Bietschhorn-Überschreitung fordert den kompletten Alpinisten und wird sicher immer ein großes Abenteuer bleiben! 

 

Mani empfiehlt uns außerdem, auch einmal in alte Tourenbeschreibungen oder Topos zu schauen, um die historische Dimension der Route besser zu verstehen. Um euch einen Eindruck zu vermitteln, mit welchem Kenntnisstand Mani und seine Freunde die Spitzenstätter-Baldauf früher vermutlich geklettert sind, stellen wir euch dieses Mal nicht nur ein wie gewohnt detailliertes Topo zur Verfügung, sondern auch eine reduzierte Version. Ihr entscheidet also selbst, mit wie viel Informationen ihr in die Route einsteigen möchtet. 

 

Schwierigkeit:

7, 240m Wandhöhe, 7-8 SL

 

Erstbegeher:

W. Spitzenstätter, H. Baldauf 1957

 

Absicherung und Ausrüstung:

An den Ständen finden sich immer zwei Bohrhaken, einige gebohrte Zwischenhaken, Schlaghaken

12 Expressschlingen, Camalots bis Größe 3, Keile, 60m Halbseile können nicht schaden

 

Ausgangspunkt:

Parkplatz P2 im Gaistal (“Stupfer”), über die Wangalm bis zur Wangscharte und dann über Steigspuren links zum Einstieg  oder P13, dann Aufstieg durchs Puittal zur Wangscharte, von dort aus über Steigspuren zum Einstieg (beide Varianten ca. 3h)

 

Abstieg:

Vom Gipfel in östliche Richtung durch eine Rinne, dann leicht ansteigend durch eine Scharte, von dort weiter abseilen oder in leichter Kletterei zur Wangscharte, hier 3x 30m abseilen (siehe Führerliteratur)

Abseilen über die Route möglich, aber nicht empfohlen

 

Topo:

Downlad Topo (detalliert)

Dowload Topo ("klassisch", mit weniger Informationen) 

 

Stützpunkte:

Wettersteinhütte oder Wangalm

 

Mehr Infos in der unten gelisteten Führerliteratur:

Kletterführer Panico-Alpinverlag, Wetterstein Süd

 

 

Fotos: © Felix-Immanuel Achtner / Julius Kerscher

 

Text: Felix-Immanuel Achtner

   

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