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Forschungsstation Tuanan

Seit 2003 wird die Forschungsstation Tuanan (TORP: Tuanan Orangutan Research Program) in Zentralkalimantan von der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit indonesischen und amerikanischen Partneruniversitäten betrieben. Im Zentrum steht die Erforschung des Verhaltens und der Physiologie von Orang-Utans. Ein Team aus lokalen Feldassistenten und nationalen und internationalen Forschern arbeiten zusammen bei der Datenaufnahme.

14 November 2016

Wandern, Trekking

Auf der Suche nach Milo und Merkur

Ein Arbeitstag auf der Forschungsstation Tuanan im Dschungel Borneos

Der Wecker klingelt um 3:00 Uhr in der Früh, von draussen können bereits Stimmen gehört werden. Die indonesischen Assistenten sind an den Vorbereitungen für den Tag und trinken noch einen Tee, bevor’s in den Wald geht. Auch ich stelle meinen Rucksack mit Datenblättern, GPS-Gerät, Kamera und Verpflegung bereit. Nach einem Kaffee geht’s dann in Zweierteams los auf dem 2 km langen Holzsteg, welcher nach Osten hinein in den Sumpfwald führt. Es ist noch immer stockfinster. Während wir in den Wald hineingehen, hört man Insekten und Rascheln um uns herum. Wir sehen nur gerade so weit, wie der Lichtkegel unserer Stirnleuchten reicht. Nach wenigen Minuten auf dem Holzsteg erreichen wir bereits die Kreuzung, mit einem Nord-Süd Transekt, welches uns zum Nest bringen wird. Unser Studienareal besteht aus 3 km x 3 km Wald, welchen ca. alle 200m West-Ost und Nord-Süd Transekte durchlaufen. Diese Transekte sind herausgeschnittene Trampelpfade, die uns das Vorankommen im Dschungel erleichtern. Nach 35 Minuten, mehreren Falllöchern und mit zwei nassen Füssen kommen wir zur Kennzeichnung vom letzten Abend: zwei Stecken sind mit rotem Markierungsband zusammengebunden in der Mitte des Pfades. Von hier führt ein noch kleinerer frischgeschlagener Pfad, welcher wiederum alle paar Meter mit rotem Band gekennzeichnet wird vom Transekt weg hinein in den Wald. Dies ist die Kennzeichnung, welche uns zu Milo’s Nest führen wird. Milo ist ein junges Orang-Utan Weibchen, welche mit ihrem erstgeborenen Sohn, Merkur, herumreist. Orang-Utans sind meist Einzelgänger und treffen sich nur selten mit Artgenossen. Jedoch ist die Mutter-Kind Beziehung sehr eng und so bleibt ein Junges bis zu 9 Jahre immer mit der Mutter zusammen. Dementsprechend haben Orang-Utan Weibchen nur alle 6- 8 Jahre ein Junges. Zwillinge gibt’s nicht. In Tuanan kennen wir über 100 Orangutans, welche teilweise oder ganz im Studiengebiet leben individuell und wissen auch über viele Verwandschaftsverhältnisse Bescheid.

Abuk

Abuk, der lokale Assistent, welcher heute mit mir Milo und Merkur folgen wird, geht vor, sucht sich schon einmal einen geeigneten Stecken, um Urin sammeln zu können, sobald Milo erwachen würde. Ich kümmere mich darum das rote Markierungsband abzunehmen und wieder einzupacken, um nichts im Wald zurückzulassen. Wir setzen uns auf den Waldboden, Abuk mit seinem Urinstick bewaffnet, und bereiten die Datenblätter im Rotlicht vor, um die Insekten nicht noch mehr anzuziehen. Schliesslich schalten wir unsere Lichter ganz aus und warten im Dunkeln. Allmählich erwachen die ersten Gibbons und beginnen ihre Duette zu singen. Wir hören Blätterrascheln in einem Baum vor uns, können aber noch nichts erkennen. Milo scheint bereits zu erwachen. Es ist erst 4:45 Uhr. Abuk schiesst auf, knipst seine Stirnlampe wieder an und bahnt sich einen Weg durch die Stechpalmen, zu den Geräuschen hin. Milo hat begonnen zu urinieren. Abuk sucht den Wasserstrahl, zielt schliesslich mit dem weissen Licht darauf und hält den vorn verzweigten und mit einem Plastiksack versehenen Stecken unter den Urinregen. Geschafft! Dann ist es wieder ruhig in den Bäumen. Ab 5 Uhr wird es heller, Milo scheint wieder zu schlafen in ihrem Nest aus Ästen und Blättern. Orang-Utans konstruieren jeden Abend ein neues solches Nachtnest. Nach einer weiteren halben Stunde regt sich Milo endlich und klettert mit Merkur, welcher sich an ihrer Seite im Fell festklammert, aus dem Nest. Nun beginnen wir alle zwei Minuten Milo’s und Merkur’s jeweiliges Verhalten genau aufzuzeichnen. Auch GPS Daten nehmen wir auf, um zu sehen, wohin Milo sich bewegt während des Tages. Am Abend, wenn sie ihr Nachtnest gemacht haben wird, werden wir wiederum das Nest markieren, um sie am nächsten Morgen wieder finden zu können.

Unsere lokalen Mitarbeiter kommen aus einfachen Verhältnissen und die meisten verdienten ihr Leben früher mit Holzfällen. Heute sind sie der wichtigste Bestandteil unseres Teams und leisten täglich sehr gute Arbeit. Ein Teil der Assistenten lebt im nahegelegenen Dörfchen „Pasir Putih“ zusammen mit ihren Frauen und Kindern in Holzhütten. Andere haben noch keine Familie und leben mit uns Forschern auf der Station. Die neuen Stirnlampen haben den Arbeitsalltag nun immens erleichtert und werden natürlich täglich am frühen Morgen und in der Abenddämmerung benutzt. Wir, das ganze Team Tuanan, möchten uns ganz herzlich für die Unterstützung bedanken. Für die Mitarbeiter war das Auspacken wie Weihnachten.

Neue Lampen für das Team

Text: Julia Kunz