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UTMB, Tipps von Profis

Xavier Thévenard, Seb Chaigneau und Maud Gobert haben sich bereit erklärt, uns vor dem Start der UTMB® Rennen im August 2017 einige Fragen zu beantworten. Sie haben in diesem Interview, in dem Sie einen Teil von sich selbst preisgeben, die gleiche Begeisterung gezeigt wie bei ihrem Sport. Bei den angeschnittenen Themen geht es um die Einteilung der Kräfte aber auch um persönlichere Gedanken, die für andere Trailrunner sicherlich hilfreich sein werden.

15 Juni 2017

Laufen


Was ist euer Projekt für den TDS?

Maud: In Courmayeur starten und bestmöglich ans Ziel zu kommen!

 

Was ist euer Projekt für den UTMB?

Xavier: Unter 21 Stunden bleiben. Das sind nur 9 Minuten weniger als meine Zeit von 2015. Ich hoffe, dass die Strecke in diesem Jahr die gleiche ist wie bei den beiden letzten Rennen.

Seb: Noch einmal den legendären Gipfel in meinem Garten umrunden...

 

Was ist in euren Augen euer größter Vorteil? 

Maud: Meine Hartnäckigkeit und meine Besessenheit.

Xavier: Ich denke, ich habe eine gute Lipolyse* (Erklärung siehe unten), das ist meine Stärke bei Rennen, die 20 Stunden dauern.

Seb: Ich glaube, ein wichtiger Faktor ist, dass ich aufgrund meiner Erfahrung das Rennen etwas lockerer sehen kann.

 

Was ist für euch der Schlüsselmoment des Rennens?


Maud: Ich würde nicht von einem „Schlüsselmoment“, sondern eher von einem Schlüsselpunkt sprechen, was für mich das Schonen meiner Kräfte bis Bourg-Saint-Maurice bedeutet. Zwar haben wir bis dahin bereits eine lange Strecke zurückgelegt, aber ab Courmayeur wird es dann wirklich schwierig.  Und wenn es an diesem Punkt beginnt mühselig zu werden, dann hast du wenig Aussichten, bis ans Ziel zu kommen.

Xavier: Die Ankunft in Courmayeur. Der Zustand der Läufer in diesem Moment ist ausschlaggebend für den weiteren Verlauf des Rennens.

Seb: Courmayeur ist der neuralgische Punkt, wo du fit sein musst, denn hier beginnt das eigentliche Rennen...

 

 

Was befürchtet ihr am meisten?

Maud: Die Hitze und die Nacht. Vor drei Jahren hatte ich einen Sonnenstich und musste den Lauf abbrechen, obwohl ich in Führung lag. Die Nacht, weil der TDS am Tag beginnt und die Anstrengungen des Tages sich natürlich auf die körperliche Kraft und die Konzentration  auswirken.

Xavier: Die Schmerzgrenze, die ich erneut überwinden muss.

Seb: Es ist sehr schwierig, sich nicht vom Energieschub am Start mitreißen zu lassen und sich an seinen eigenen Zeitplan zu halten. Abgesehen von einer möglichen Verletzung wäre dies der Teil des Rennens, der mir am meisten Sorgen bereitet. Ansonsten wird alles gut gehen.  

 

Welche Ratschläge könnt ihr anderen Läufern geben?

Maud: Nicht aufgeben, auch wenn es schwierig wird. Es gibt Höhen und Tiefen, Momente der Euphorie und Momente, in denen die Kräfte nachlassen. Das ist ganz normal. Du darfst anfangs nicht zu schnell laufen und dich nicht auf die Zeiten der Teilstrecken fixieren, um bei einer Verspätung gegenüber dem vorgesehenen Zeitplan nicht unnötig Druck aufzubauen.

Xavier: Denkt in schwierigen Momenten, wenn die Laufschritte und die Koordination der Bewegungen weniger flüssig werden daran, gleichmäßig zu laufen und die Bauchmuskulatur anzuspannen. Stöcke sind beim UTMB ein gutes Hilfsmittel, um eine gerade Körperhaltung zu bewahren und den richtigen Rhythmus zu finden.   

Seb: Wie ich bereits sagte: konzentriere dich auf dich selbst und kümmere dich nicht um die anderen, achte ausschließlich auf deinen eigenen Rhythmus, um nicht unnötig Pulver zu verschießen.

 

 

Wie bereitet ihr euch auf dieses Rennen vor?

Maud: Ich mache viel Crosstraining und lange Touren mit dem Rennrad. Beim Laufen sind spezielle Intervalltrainings-Einheiten angesagt. 

Xavier: Ich lege viele positive und negative Höhenmeter zurück und mache Kraftausdauertraining bei Radtouren und beim Laufen. Außerdem ein paar Trainingseinheiten mit nüchternem Magen zur Stimulation der Lipolyse.

Seb: Ein hohes Trainingsvolumen, aber ohne zu übertreiben, Berglauf und Höhenmeter aber nicht zu viel, viel Schlaf, Zeit mit der Familie und sich von der Atmosphäre dieses unglaublichen Rennens tragen lassen. Die Vorbereitung beginnt nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sie erfolgt permanent und progressiv im Laufe des Jahres und der Jahre. Deshalb begegne ich Leuten, die sich in ein paar Monaten vorbereiten wollen, mit einer gewissen Skepsis.

 

Welches war der beste Tipp, den man euch bisher zum Laufen gegeben hat?

Maud: Für sich selbst und nicht für die anderen laufen. Sich um jeden Preis die Freude am Laufen bewahren und auch in den schwierigsten Momenten das Beste daraus machen.

Xavier: Die besten Tipps, die mir weiter geholfen haben, bezogen sich auf die tägliche Ernährung. Sie haben es mir ermöglicht, die Freude am Laufen noch zu steigern.

Seb: Höre auf deinen Körper und laufe mit und nicht gegen die anderen.

 

Was habt ihr in euren Wasserflaschen?

Maud: Ich habe immer 2 Flaschen mit einem Energydrink und eine Trinkblase mit 1 Liter Wasser, denn beim Essen brauche ich normales Wasser.

Xavier: Meistens Mineralwasser der Marke Saint Yorre

Seb: Wasser und einen Mix aus Vitaminen und Mineralstoffen.

 

Welche Lampe benutzt ihr zum Laufen?

Maud: Ohne zu zögern: Die NAO+. Sie sitzt gut an meinem Kopf ohne zu verrutschen. Und dank der REACTIVE LIGHTING Technologie und der Konfiguration per Mobiltelefon lässt sie sich sehr einfach einstellen (Leuchtkraft/Leuchtdauer). Ein weiterer Vorteil ist der rote Lichtkegel, was bei Rennen im Ausland oftmals Vorschrift ist.

Xavier: Meistens die NAO. Sie hat eine lange Leuchtdauer und eine hervorragende Leuchtkraft.

Seb: Die NAO+ aufgrund ihrer Leuchtkraft, ihrer Leuchtdauer und der Möglichkeit, die Batterien leicht zu wechseln. Ihr solltet daran denken Leuchtkraft und Leuchtdauer zu regulieren, um die verfügbare Energie optimal zu nutzen.

 

Was macht dieses Rennen so besonders?

Maud: Die Landschaft. Ich komme aus der Tarentaise und laufe bei mir zuhause vorbei. Viele Freunde aus meiner Kindheit feuern mich an, das finde ich toll.

Xavier: Die Atmosphäre, die Magie des Mont-Blanc, der Parcours mit seinen atemberaubenden alpinen Landschaften.

Seb: Der Mont-Blanc und sein letzter Kilometer. 

 

Woran denkt ihr, wenn die Füße schmerzen?

Maud: Ehrlich gesagt, tun mir die Füße eigentlich nie richtig weh, ich habe vor allem Schmerzen in Beinen und Knien!

Xavier: Wenn meine Füße schmerzen, versuche ich nicht daran zu denken und konzentriere mich auf einen anderen Schmerz in meinem Körper. Ich laufe stoisch weiter und gebe das Beste, um möglichst wenig Zeit zu verlieren. Wenn du dich von deinen Emotionen leiten lässt, kann das Rennen schnell für dich vorbei sein.

Seb: Daran, was ich tun könnte, um den Schmerzen ein Ende zu bereiten, z.B. die Schuhe und vor allem die Strümpfe wechseln, aber ich konzentriere mich auf andere Dinge und auf den Augenblick, auf die Chance, die ich habe laufen zu können und dazu noch an einem Ort wie diesem.

 

Und wenn ihr das Ziel erreicht habt, ist dann ein Bier oder aktive Erholung angesagt?

Maud: Eher ein Bier!!! Schließlich bin ich in Nordfrankreich geboren!

Xavier: Aktive Erholung, ich bin kein großer Bierfan, ich ziehe bei weitem ein Glas Rotwein vor.

Seb: Es kommt darauf an, wie es gelaufen ist, aber ich gehe umher, dann beginne ich mit der aktiven Regeneration, bevor ich eine Dusche nehme, mich massieren lasse und anschließend ein kühles Bier trinke und essen gehe....

 

Wie viele Kilometer seid ihr in diesem Jahr schon gelaufen?

Maud: Also, ich würde eher von Höhenmetern sprechen... Die Zahl der Kilometer hat für mich keine Bedeutung! Das Wichtigste ist die Freude am Laufen.

Xavier: 2016: 4700 km und 250000 positive Höhenmeter, das ist ein ansehnlicher Ultratrail! ☺

Seb: Ich weiß es nicht, aber im Laufe eines Jahres sind es ungefähr 6000 km.

 

Kommt es vor, dass ihr beim Laufen Schafe zählt?

Maud: Nein, das nicht, aber manchmal träume ich von einem guten Essen. Außerdem denke ich an mein Leben, meine Töchter, meine Familie und an meine künftigen Projekte.

Xavier: Nicht oft, denn auf den Almwiesen im Jura gibt es mehr Kühe als Schafe. Nein ehrlich gesagt, es wird mir nie langweilig.

Seb: Nein, ich zähle lieber Gämsen, Steinböcke und Murmeltiere...

 

Seid ihr eher Tagläufer oder Nachtvogel?

Maud: Ich laufe gerne bei Dunkelheit, bei Tagesanbruch im Winter oder in der Dämmerung im Sommer.

Xavier: Ich laufe gerne tagsüber, um die Landschaft zu bewundern und die Natur zu beobachten. In der Dunkelheit ist es schwieriger, die Berge im Dunkeln zu erkennen, aber ich liebe es auch, weil ich in diesen Momenten viele Tiere sehe.

Seb: Ich liebe die Stille der Nacht und wenn der Tag in den Bergen erwacht…es sind großartige Momente voll positiver Energie...

 

Zu welchem Zeitpunkt würdet ihr euch sagen "Nie wieder"?

Maud: Bei der Ankunft! Aber das ist schnell vergessen!

Xavier: Wenn die Motivation nicht mehr da ist. Also könnte ich mir das nie sagen. Auch wenn es sehr hart ist, versuche ich optimistisch zu bleiben, um die Situation nicht noch schlimmer zu machen.  

Seb: Wenn ich aus irgendeinem Grund leide, aber mein Gehirn verdrängt diese Momente ganz schnell wieder, und so gehe ich im Jahr darauf wieder hoch motiviert an den Start.

 

Gibt es jemanden, der euch zum Laufen inspiriert?

Maud: Gute Frage. Vor 15 Jahren war Corinne Favre mein Idol. Heute stehen wir uns sehr nahe und verbringen viel Zeit beim Sport miteinander. Sie ist unglaublich, sie hat eine ganze Generation überdauert und obwohl sie aufgrund ihrer Knieschmerzen ihr Niveau im Bergablaufen eingebüßt hat, kann sie es beim Vertikalkilometer noch immer mit jungen Läuferinnen aufnehmen, das finde ich nach 30 Jahren Läuferkarriere einfach unglaublich. Ich nenne sie "The Legend". Auch Kilian und Emelie sind fabelhaft. Sie stellen sich immer neuen Herausforderungen und sind so etwas wie die "Into the Wild" des Trailrunning, das finde ich sehr inspirierend. Diese drei Menschen verzichten auf nichts, sie leben ganz normal, essen normal und sind trotz ihrer Berühmtheit bescheiden geblieben.

Xavier: Kilians Einstellung zu den Bergen und zum Laufsport inspiriert mich. Ich mag auch Patrick Berhaults Philosophie und seine Art, das Leben durch körperliche Anstrengung und die Bergwelt zu definieren. Diese beiden Menschen sind ein Ansporn für mich. Ich versuche, das von ihnen spontan gelebte Gefühl der Befreiung selbst zu empfinden. Ich kann mich gut mit ihrer Lebensauffassung identifizieren, es gibt mir die Motivation zum Laufen.

Seb: Keine spezielle Person, es ist eher die Begegnung mit Gleichgesinnten und vor allem bei jedem Training der Kontakt mit verschiedenen Tieren: Murmeltiere, Steinböcke, Wölfe und Gämsen …

 

 

*Die Lipolyse ist der Abbau von Körperfett, der zur Freisetzung von Fettsäuren führt.

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