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Einbohren einer Route: Michi Wohllebens Erstbegehung an der Dreifaltigkeit

150 Meter ragt die Felswand der Dreifaltigkeit im Alpstein empor. Seit der Rotpunktbegehung von Parzival (8b) im Jahr 2017 blieb Michi Wohlleben eine imposante Linie links daneben besonders in Erinnerung. Über Wochen hat er damit verbracht einen kletterbaren Weg durch die glatte Wand zu finden… und stand schließlich ganz oben. Die wohl schwierigste Route im Alpstein ist eingerichtet. Aber welche Herausforderung steckt hinter dem Einbohren einer Route? Michi erzählt uns von fliegenden Bohrmaschinen, weiten Abflügen und seinen ethischen Ansätzen beim Erstbegehen.

10 Dezember 2020

Mehrseillängenrouten

Michi, Gratulation zur Erstbegehung! Gefühlt warst du über mehrere Wochen damit beschäftigt diese Linie im Alpstein zu erschließen. Wie viele Tage hast du tatsächlich investiert, bis du das erste Mal oben aussteigen konntest?

Ich habe nicht auf den Tag mitgezählt, aber ich würde so 15 Tage tippen, evtl. ein bisschen mehr...

Das Erstbegehen deiner Mehrseillängenroute hat also eine Menge Zeit gebraucht. Wie hast du denn deine Sicherer bestochen dich so lange zu sichern?

Ich hatte einfach Glück diverse Freunde zu haben, die zwar vermutlich von Anfang an ahnten, dass sie die Linie mit hoher Wahrscheinlichkeit nie klettern werden können, zum anderen aber wie ich fasziniert von dem Projekt und der Linie waren. Zumindest nahm ich es so wahr. Wir hatten da oben an diesem einzigartigen Ort zusammen einfach unglaublich viel Freude gemeinsam, unabhängig davon wie der Fortschritt in der Erstbegehung war und ob sie es mal klettern oder nicht klettern können.

Beim Einbohren hast du dich mit einem Cliff gesichert, der meist nur auf millimetergroßen Felsstrukturen auflag. Wie oft bist du damit aus der Wand geflogen?

Puh... da habe ich nicht mitgezählt. Ich denke schon so 10 Mal, alleine an einer Stelle bin ich vier bis fünf Mal rausgeflogen.


Links: Abflug aus der Wand - die Einrichtung der Route braucht Zeit, Geduld und Kraft
​Rechts: Mit Roman Berner am Ausstieg

Ist dir dabei auch mal die Bohrmaschine um die Ohren geflogen?

Einmal ist mir die Bohrmaschine um die Ohren geflogen und zwei bis dreimal bin ich mit ihr in der Hand abgesprungen. Das ist schon echt unangenehm. Im Gegensatz zum Klettern ist aber hier die Schwerkraft dein Freund. Wenn man die Bohrmaschine nach unten hält und sie loslässt, fliegt sie genauso schnell wie man selbst.

Ist ein Bohren aus der Kletterstellung bei der Schwierigkeit überhaupt noch möglich?

Das ist ein schwieriges Thema. Wir müssen uns bewusst sein, dass eine Route, die wir von unten „ethisch“ korrekt erstbegehen wollen, nicht an unserem sportlichen Limit sein wird. Das geht nicht. Ich kann keine 9a von unten obligatorisch erstbegehen, außer sie hat ganz speziellen Fels an dem man super cliffen kann. Aber dann ist sie eigentlich "technisch" erstbegangen. Unsere Kletterhistorie zeigt das ja schon über Jahre. Zum Beispiel als Beat Kammerlander Silbergeier erstbeging, kletterte auch er schon im 9a Bereich. Oder Alex Huber mit Bellavista: auch er kletterte schwerer im Klettergarten.

Und umgedreht sieht man bei Touren die nicht in diesem Stil erstbegangen wurden, wie z.B. "Deja" im Rätikon, dass die Erstbegeher den Schwierigkeiten eigentlich noch nicht gewachsen waren. In diesem Fall hätten sie auch darüber nachdenken können, an der Stelle an der sie anstanden, aufzuhören zu bohren und zu warten bis jemand wie Adam Ondra kommt und es in einem anderen Stil einbohrt, statt es A0 zu bohren. Aber ich will nicht urteilen,  es war eine andere Zeit... aber ich finde man muss zumindest daraus lernen.

Des Weiteren ist das Thema auch sehr abhängig vom Terrain. Grundsätzlich habe ich nicht die Reserve um in einer 8c einarmig zu bohren. In einer Plattenstelle geht das schon, wenn man auf den Füssen steht. Dabei bohrt man dann aber nicht in der 8c Passage der Seillänge, sondern im leichteren Gelände. Entsprechend ist es eher die Frage: wie weit traut man sich die schwersten Stellen zu überklettern um in leichteres Gelände zu kommen um dann irgendwie bohren oder cliffen und bohren zu können?

Wie hast du eigentlich deine Bohrmaschine die Wand hinauftransportiert? Hast du sie am Gurt befestigt oder nachgezogen?

Letztendlich habe ich mir für eine sehr schwierige Passage, bei der ich bestimmt 20 Mal abgeflogen bin, einen Köcher für meine kleine Bohrmaschine gebaut. Ich bin dann denselben Boulder überklettert und habe danach von einer kleinen Leiste die Bohrmaschine aus dem Köcher gezogen und versucht zu bohren. Alles in allem kostete uns diese Passage drei bis vier Tage, denn ich konnte die Leiste nicht so lange festhalten. Als die Bohrmaschine dann endlich einen guten Zentimeter drin steckte, lies ich sie hängen. Wir biwakierten dann unten am Wandfuss und am nächsten Tag ging es weiter.In der Nacht hofften wir, dass kein Wind kommt und die Bohrmaschine herunter fliegt.

Für alle anderen Passagen habe ich die Bohrmaschine nachgezogen. Dabei habe ich sie immer vom Stand gezogen, das finde ich praktischer als vom letzten Haken mit einem Fifi.

Danke, Michi!

Die Erstbegehung ist nun fertig, ob Michi sie frei klettern kann, zeigt sich hoffentlich im nächsten Jahr! Was sonst noch hinter der neuen Route steckt und mit welchen Ungewissheiten man bei solch schwierigen Erstbegehungen konfrontiert wird, schildert Michi im untenstehenden Video.

 

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